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Klinikclowns im Kreis Steinfurt e.V.

„Lotta“ hängt die Nase an den Nagel

Eine Clownin geht in Rente – Interview mit Birgitta Gutsch-Esser

„Lotta“ hängt die Nase an den Nagel

"Lotta" hängt die Nase an den Nagel: Ende 2018 geht Birgitta Gutsch-Esser in den Ruhestand.

Unsere „Lotta“ hängt die Nase an den Nagel: Ende des Jahres wird Birgitta Gutsch-Esser (63) zum letzten Mal als Clownin im Kreis Steinfurt unterwegs sein. 17 Jahre lang war sie als Klinikclown unter anderem im Mathias-Spital Rheine in der Kinderklinik tätig. Grund genug für ein Interview.

Kindern Freude schenken in schwierigen Situationen – das kann „Lotta“.

Birgitta, von 17 Jahren trennt man sich nicht so einfach. Was wird dir in Erinnerung bleiben?

Vor allem die vielen einzelnen Momente mit den Kindern. Ich bin auch nach so langer Zeit immer noch fasziniert davon, welche Verbindungen die Clown-Figur schafft: Sie ist so einfach und klar, dass Menschen sich ihr gegenüber zeigen mögen – vom Kind bis zum demenzkranken Alten. Zu vielen Menschen hat „Lotta“ über die Jahre intensive Beziehungen aufgebaut. Das werde ich vermissen, das merke ich jetzt schon.

Dennoch hast du dich dafür entschieden, kürzer zu treten.

Mit 63 merke ich, dass mir die lange Autofahrt von Essen, wo ich wohne, in den Kreis Steinfurt zunehmend schwerer fällt, vor allem im Dunkeln. „Lotta“ hat mich mit Sicherheit jünger gehalten als viele meiner Altersgenossen, aber ganz lassen sich die vielen Jahre im Beruf nicht leugnen. Es kostet Kraft, immer wieder als Clown tief in die Emotionen zu gehen. Glücklicherweise kann ich es mir im Unterschied zu vielen Clown-Kollegen leisten, in Rente zu gehen.

„Lotta“ und „Konrad“ in der Kinder-Rheuma-Klinik in Sendenhorst

Damit sprichst du einen wichtigen Punkt an: Die Arbeit als Klinikclown ist kein Ehrenamt, denn die Clowns sind ausgebildete Profis und verdienen ihren Lebensunterhalt mit dieser Tätigkeit. Welche Rolle spielt der Verein der Klinikclowns im Kreis Steinfurt hier?

Der Verein ist ein Förderverein und trägt durch die Sammlung von Spenden einen Großteil der Clown-Arbeit. Entstanden ist er 2001, nachdem Clown „Konrad“ und ich zunächst ein halbes Jahr lang unvergütet in der Kinderklinik des Mathias-Spitals gearbeitet haben. Auf Dauer kann aber nicht einmal ein Clown nur von Kinderlachen leben. Wir haben bei der Vereinsgründung Unterstützung erhalten von einem Klinikclown-Verein in Bremen. Herr Dr. Hoffmann, der Chefarzt der Kinderklinik am Mathias-Spital, hat die Idee der Klinikclowns damals nach Rheine mitgebracht und auch den Verein stark unterstützt. Seit vielen Jahren bin ich nun Vorsitzende und bleibe dem Kreis Steinfurt in dieser Funktion auch noch ein wenig erhalten. Der Verein ist mein „Baby“, ich will ihn in guten Händen wissen.

Das Team der Kinderklinik im Mathias-Spital hat sich zu Kollegen für die Clowns entwickelt.

Mit dem Team der Kinderklinik verbindet dich eine langjährige Zusammenarbeit – was bedeutet das?

Die Schwestern sind zu Kolleginnen geworden, da ist ein tiefes Vertrauen gewachsen. Bevor wir zu den Kindern gehen und oft auch danach besprechen wir uns mit den Schwestern. Ein Krankenhausaufenthalt ist sowieso schon eine Ausnahme-Situation für ein Kind, aber auf der Station gibt es zusätzlich Kinder, die Opfer von Gewalt, Vernachlässigung oder einer traumatischen Flucht geworden sind. Der Kontakt mit diesen Kindern hat etwas mit mir gemacht, auch wenn meine sozialpädagogischen Kenntnisse mir oft geholfen haben, die Kinder und ihre Situation zu verstehen.

Damit kommen wir zu deinem persönlichen Weg: Du warst ja nicht immer Klinikclownin.

Nein. 1976 habe ich meine Ausbildung zur Krankenschwester abgeschlossen, ab dann als OP-Schwester gearbeitet und nebenher mein Abi nachgemacht. Von 1995 bis 1998 habe ich dann neben dem Beruf Sozialpädagogik studiert, weil ich fand, dass Kinder im Krankenhaus eine besondere Unterstützung benötigen. Bei einem Praktikum im Kulturreferat des UKM habe ich dann die Münsteraner Klinikclowns kennengelernt und war fasziniert von ihrem Zugang zu den Menschen. Durch Hospitieren und ganz viel Lesen ist mir schnell klargeworden: Einfach so kann ich nicht als Klinikclownin arbeiten. Also habe ich mich an der privaten Theaterschule in Hannover nach einer harten dreitägigen Aufnahmeprüfung von 2000 bis 2003 zum Clown ausbilden lassen. Mein Gesellen-Theaterstück für die staatliche Prüfung ist heute übrigens immer noch Teil meines Bühnen-Repertoires.

Richtig, als Bühnenclown bist du auch unterwegs. Was unterscheidet die Bühne von der Klinik?

Als Bühnenclown habe ich viel mehr Möglichkeiten, etwas beim Publikum zu erreichen. Als Klinikclown muss ich meine Figur dagegen immer kontrollieren. Wenn man die Methoden dafür nicht kennt, ist man auch als Klinikclown nicht mehr als ein Unterhalter.

Was bedeutet das: die Figur kontrollieren?

Ich darf z. B. als Klinikclown dem Kind nicht alle Gummibärchen wegessen – auch wenn das das natürliche Verhalten der Clownfigur wäre. Denn der Clown ist in der Klinik immer nur Medium, um in Beziehung mit dem Menschen zu treten. Ein auf seinen Charakter fixierter Clown schafft das nicht.

„Lotta“ und „Mimi“ mit einem WDR-Team

Damit wären wir bei „Lotta“. Du hast deine Clownfigur im Studium entwickelt. Was zeichnet sie aus?

„Lotta“ ist ein Rotclown, ein dummer Clown. Damit ist sie der Gegenpart zum Weißclown, der sich für schlau hält. „Lotta“ ist, wie eben schon angedeutet, verfressen, hat einen starken Gerechtigkeitssinn und eine ganz lange Leitung.

Kannst du ein Beispiel geben, damit wir „Lotta“ besser kennenlernen?

Wenn früher im Mathias-Spital die Kinder von den Schwestern gefragt wurden, was sie denn nachmittags essen wollen, hat „Lotta“ Sachertorte und Cappuccino verlangt. Wenn dann die Schwester gesagt hat, „Lotta“ könne nichts kriegen, weil sie ja nicht auf der Station liege, hat sich „Lotta“ mitten ins Zimmer auf den Boden gelegt und bis zum Heulausbruch auf ihrer Sachertorte bestanden. In diesen Momenten agiere nicht ich, sondern meine Clownfigur, die dann tief in ihrer Emotion steckt. Ich muss aber jederzeit in der Lage sein, „Lotta“ wieder zurückzunehmen, wenn ich merke, dass das Kind nicht mehr mitkommt. Das Kind ist die wichtigste Person im Raum.

„Mimi“ und „Lotta“ sind Tochter und Mutter und Clown-Kolleginnen

In den letzten Jahren hast du in der Kinderklinik im Mathias-Spital mit Clownin „Mimi“ zusammengearbeitet, verkörpert von deiner Tochter Olinda. Das ist ja auch etwas Besonderes.

Auf jeden Fall: Ich habe es sehr genossen, dass wir einmal in der Woche zusammengearbeitet haben – auch das wird mir fehlen. Allerdings freue ich mich sehr, dass wir mit Endrik als Clown „Friedrich“ einen tollen Nachfolger im Mathias-Spital bekommen. Er bringt einen Riesenerfahrungsschatz mit, kann sich unheimlich gut in Kinder einfühlen und versteht sich mit Olinda wunderbar.

Ein paar Worte zum Abschluss?

Eins: danke. Danke all den großartigen Menschen, die den Verein und damit die Arbeit der Clowns unterstützen, die an uns denken und glauben. Die große Resonanz, die wir erhalten, haben wir zuletzt noch einmal auf dem Sommerfest erleben dürfen. Ich hoffe, dass wir auch weiterhin auf diese Unterstützung zählen dürfen.

(Interview: Mareike Knue)

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